Der letzte Artikel dieser Reihe beschäftigte sich mit der Unterscheidung zwischen akutem und chronischem Schmerz. Wir haben uns auch angesehen, was periphere und zentrale Sensibilisierung bedeutet. In diesem Blogartikel besprechen wir die Gründe von chronischem Rückenschmerz.

 

Zu starker Fokus auf Untersuchungen

Es erscheint komisch, dass in der heutigen Zeit die Zahl derer steigt die an chronischen Schmerzerkrankungen leiden [1]. Immerhin haben wir viel bessere diagnostische Möglichkeiten. Jeder kann nahezu sofort ein Röntgenbild, ein MRT, Blutwerte und vieles mehr bekommen. Wenn man dann genau weiß wo das Problem liegt eliminiert man es und dann funktioniert alles wieder. Wie in einer Autowerkstatt. Zum Glück sind wir keine Autos und die menschliche Physiologie deutlich komplizierter als der Bauplan eines Fahrzeugs.

Vielleicht ist es eben genau dieser Anspruch auf schnelle Schmerzfreiheit der ihn schnell unerträglich macht [1]. Allzu oft wird bei Erstauftritt von Rückenbeschwerden ein Röntgenbild oder MRT angefertigt. Das widerspricht der Nationalen Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz [2]. Denn dies kann eine Chronifizierung fördern. Auf nahezu jedem Bild wird man Abweichungen von der Norm sehen. Diese sind aber normal und ab einem bestimmten Alter zu erwarten [3]. Solche Bilder brennen sich ein und können Menschen ängstlich und übervorsichtig machen. Eine systematische Untersuchung, welche mehrere Studien bewertete, bestätigt diese Annahme. Wenn durch eine Befragung alle Gefahrenquellen ausgeschlossen wurden, verändert ein Röntgenbild weder die Therapie, noch das Outcome [4]. Nach einer Bildgebung ist jedoch das Risiko höher das Problem zu katastrophisieren [5]. Katastrophisierung fördert Inaktivität und somit kann dies zur Chronifizierung führen.

Schonung und Bettruhe

Bei Rückenschmerz muss man aktiv bleiben! Eine Übersichtsarbeit [6] bestätigt, dass es sich lohnt seinen Alltag weiter aktiv zu gestalten. Wer sich nur ganz wenig bewegt oder sogar Bettruhe einhält hat die Beschwerden oft länger und ggf. werden sie stärker wahrgenommen [1].

Psychosoziale Faktoren

Die Psyche spielt vor allem in der Aufrechterhaltung von Schmerz eine sehr große Rolle [7]. Angst, Unsicherheit, Depression und das Vermeiden von körperlicher Aktivität können zu ernsthaften langfristigen Problemen führen. Es gibt Fragebögen, die darüber Aufschluss geben können, ob eine Beteiligung der Psyche vorliegt. Schreibe mir gerne eine E-Mail, wenn du darüber nähere Infos möchtest.

Der Arbeitsplatz

Am Arbeitsplatz sind es zum Teil subjektive aber auch objektive Faktoren, die den Rückenschmerz begünstigen.
Monotone Arbeitsbewegungen, Zwangshaltungen und schweres Heben und Tragen sind ganz klar mit Rückenbeschwerden assoziiert. Das fand eine systematische Übersichtsarbeit heraus [8]

Zudem können berufliche Unzufriedenheit, Arbeitskonflikte, wenig Autonomie und Zeitdruck Rückenbeschwerden verstärken oder sieverlängern [9]. Am Arbeitsplatz geht es also nicht nur um die Schwere der Arbeit, sondern vor allem auch um das Miteinander.

Fazit

Du siehst, das Thema Schmerz ist sehr kompliziert. Es gibt keine Standardlösungen für komplexe Probleme. Die Lösung deines Schmerzproblems ist eine Reise. Dennoch möchte ich dir hiermit Mut zusprechen. Dein Körper ist robust! Du bist stark und widerstandsfähig und alles andere als zerbrechlich. Bleib am Ball, bewege dich und beziehe in deine Lösung alle möglichen Parameter mit ein.

 

Im nächsten und letzten Artikel dieser Reihe schreibe ich über Lösungsansätze für langanhaltende Rückenschmerzprobleme.

Sei gespannt und bleib dran!

Philipp


[1]: Pfingsten M., Müller G., Chenot J.F. (2011). Vom Symptom zur Krankheit. In: Hildebrandt J., Pfingsten M. (Hrsg.), Rückenschmerz und Lendenwirbelsäule – Interdisziplinäres Praxisbuch entsprechend der Nationalen Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz

[2]: Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung, Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (2017). Nationale Versogungsleitlinie Kreuzschmerz. Berlin: 2. Auflage

[3]: Brinjikii W., Diehn F.E., Jarvik J.G., Carr C.M., Kallmess D.F., Murad M.H., Luetmer P.H. (2015). MRI Findings of Disc Degeneration are More Prevalent in Adults with Low Back Pain than in Asymptomatic Controls: A Systematic Review and Meta-Analysis. American Journal of Neuroradiology. S. 2394-2399.

[4]: Chou R., Fu R. Carrino J. Deyo R. (2009). Imaging strategies for low-back pain: systematic review and meta-analysis. In: The Lancet 373 (9662). S. 463-472.

[5]: Sloan TJ, Gupta R, Zhang W, Walsh DA (2008). Beliefs about the causes and consequences of pain in patients with chronic inflammatory or non-inflammatory low back pain. In: Spine 2008;33:966–72.

[6]: Liddle SD, Gracey JH, Baxter GD (2007). Advice for the management of low back pain: a systematic review of randomised controlled trials. Man Ther 2007;12:310–27.

[7]: Pfingsten M. (2012). Psychologische und psychosoziale Aspekte des Rückenschmerzes. Psychologie in Österreich 3/4. S. 264-271.

[8]: Da Costa B., Vieira E. (2009). Risk factors for work‐related musculoskeletal disorders: a systematic review of recent longitudinal studies. In: American Journal of Industrial Medicine, 53 (3), S.285-323.

[9]: Hoogendoom WE, v.Poppel MN, Bongers PM. Systematic review of psychosocial factors at work and private life as risk factors for low back pain. Spine 2000;25:2114–25.